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Tom Next - Daytrading Community
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Binary-Party Teil 1 – Bluevex


Mako

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Wann f?llt das Dax All-Time High  

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Nach dem Motto: "das Unwichtigste zuerst", beginne ich mit meinen Geschichten aus der Vergangenheit völlig unsystematisch nicht ganz von vorne, sondern sozusagen mit den jungen alten Zeiten und da mit einem Nebenkriegsschauplatz, nämlich den binären Optionen.

 

Es war im Juni 2004. Es lief die Fußball-Europameisterschaft in Portugal, und ein Bekannter machte mich auf die Sportwettbörse Bluevex aufmerksam, wo man Sportwetten wie Optionsscheine handeln konnte. Ich gehe davon aus, daß nicht mehr alle Leute Bluevex kennen, daher eine kurze Erläuterung: man konnte so genannte Bluevex-Scheine auf eine bestimmte Wette für einen Betrag zwischen 0,01 und 9,99 Euro kaufen. Wenn man gewann, bekam man 10 Euro, wenn man verlor, hatte man einen Totalverlust. Es waren also binäre Optionen auf ein bestimmtes Wettereignis.

 

Das Besondere war: diese Scheine konnte man bis zum Ende des jeweiligen Events, also zum Beispiel eines Fußballspiels, jederzeit wieder verkaufen zum gerade aktuellen Preis auf einer Plattform, die Bluevex zur Verfügung stellte. Dort konnten alle Wettbegeisterten ihre Kauf- und Verkaufswünsche in Form von limitierten Orders einstellen bzw. zu den eingestellten Limiten kaufen und verkaufen. Man konnte auch short gehen und Scheine leeverkaufen. Tolle Idee!

 

Bei Registrierung erhielt man als Geschenk ein Startkapital von 5 Euro zum Ausprobieren. Mit diesen 5 Euro habe ich dann herumgetradet und schnell hinzugewonnen. Vor allem die Möglichkeit, Leerverkäufe tätigen zu können, fand ich faszinierend. Bei der Tour de Dope … ähh … Tour de France im Juli 2004 habe ich dann Mini-Marketmaker gespielt und bei Armstrong und Ullrich Gesamtsieg beide Seiten im Orderbuch bedient - mit ordentlichem Spread, versteht sich. Lief auch gar nicht so schlecht. Im Oktober 2004 war ich mit meiner Rumtraderei von meinen einstigen 5 Euro auf ca. 700 Euro gekommen.

 

In der Zwischenzeit hatte ich die Zuverlässigkeit des Wettbetreibers getestet und mal 250 Euro im Kurzen Intervall aus- und wieder eingezahlt. Die Zahlungen erfolgten innerhalb von zwei Werktagen, inklusive E-Mail-Bestätigung. Das sah also alles sehr gut aus.

 

Mittlerweile war auch das Angebot erweitert worden. Man konnte nicht nur Sportwetten handeln - Fußball, Tennis, Radfahren usw., sondern auch Finanzwetten, Wetter und Politik. Es waren damals gerade US-Präsidentschaftswahlen, und ich entschloß mich, den größten Teil meines Geldes auf Wahlsieg von John Kerry zu setzen. Ich kaufte also fleißig Kerry-Scheine und ging Bush short. Wie es ausging, ist ja bekannt. Kerry wurde dank organisierten Wahlbetrugs des Bush-Clans in Florida nicht Präsident - sage ich jetzt einfach mal so. Der Bruder von George W., nämlich John Ellis "Jeb" Bush, war zu dieser Zeit Gouverneur in Florida.

 

Was in Florida damals mit den Wahlmaschinen abgelaufen ist, war ein einziges Chaos. Immer neue Unregelmäßigkeiten, alle zu Gunsten von Bush, kamen im Rahmen einer Überprüfung der Wahlzettel ans Tageslicht. Von Rechts wegen hätte es eine neue Abstimmung geben müssen mit Stimmzetteln zum Ankreuzen. Doch das konnten die Demokraten nicht durchsetzen. Motto: jedes Wahlergebnis muß akzeptiert werden, ganz gleich, unter welchen Umständen es zustande kam. Eine spätere gerichtliche Anfechtung sei "unamerikanisch".

 

Hätte, sollte, müsste - John Kerry war untergegangen und mit ihm der größte Teil meines Geldes. Aber rund 10 Euro waren mir noch geblieben, und damit ließ sich doch was machen! Denn neben den Sportwetten konnte man ja auch auf den Schlussstand des XETRA-DAX wetten. Die Wetten wurden als so genannte Rangebets angeboten, also man wettete darauf, daß der DAX innerhalb einer gewissen Punktespanne, zum Beispiel zwischen 4000 und 4025 oder zwischen 4025 und 4050 usw. schließen würde. Daneben gab es auch eine Über/Unter-Wette, deren Strike sich am Schlusskurs des Vortages orientierte.

 

Fortan gerieten die Sportwetten bei mir zusehends in den Hintergrund, bis irgendwann nur noch Wetten auf den DAX und später auch den Dow gespielt wurden. Und die 10 Euro vermehrten sich recht schnell auf über 2000 Euro innerhalb von etwa sechs Wochen. Zugute kam mir dabei, daß auf der Plattform anfangs noch viele unerfahrene Mitspieler unterwegs waren, die vom fairen Pricing der Scheine keine Ahnung hatten und viel zu günstige Limite einstellten, die man einfach nur zügig abgrasen musste. Leicht verdientes Geld.

 

Offenbar etwas zu leicht. Denn in den folgenden Wochen verlor ich wieder knapp Drei Viertel davon und stand bei rund 500 Euro. Ein Drawdown von über 75 % - und das mir, der doch alles über Risk- und Moneymanagement wusste. Wie hochgradig blamabel! Aber ich hatte die Bluevex-Zockerei bislang nicht recht ernst genommen, vermutlich auch deswegen, weil es um zu wenig Geld ging.

 

Also sagte ich: Schluss jetzt, ab sofort wird hier systematisch Geld verdient! Es wurden kleinere Brötchen gebacken, schneller Gewinn mitgenommen, die Positionsgrößen bzw. das Risiko der Kontogröße angepasst usw. mit dem Ergebnis, daß das Konto nun viel langsamer, dafür aber sehr stetig ohne dramatische Rücksetzer wuchs auf rund 6500 Euro in den nächsten 15 Monaten, bevor Bluevex pleite ging.

 

Mittlerweile hatte sich Bluevex in Zockerkreisen zum echten Geheimtipp entwickelt. Freunde, Bekannte, frühere Arbeitskollegen während der Arbeitszeit - alle waren sie am Bluevex-Zocken. Das Wachstum der Plattform war dementsprechend. Es wurden immer neue Finanzwetten aufgelegt. Zunächst eine DAX- und Dow-Intraday-Wette, dann später Stundenwetten und eine Overnight-Wette. Hin und wieder ließen sich auch Market Maker blicken, die größere Lots auf beiden Seiten ins Orderbuch stellten, jedoch nicht verlässlich und regelmäßig. Dennoch: Bluevex entwickelte sich zur Sucht.

 

Dann, im Dezember 2005, zogen erstmalig dunkle Wolken auf: ich wollte mal eine Auszahlung von 1000 Euro haben. In der Vergangenheit waren die Auszahlungen ja immer schön zügig innerhalb von zwei Werktagen auf meinem Konto gewesen, doch dieses Mal dauerte es über eine Woche und nichts passierte. Schließlich habe ich beim Geschäftsführer, Herrn Öztürk, persönlich angerufen und mich beschwert. Es wurde dann irgendetwas erzählt von wegen längere Prüfung der Auszahlungswünsche durch "fraud protection" usw., alles wenig glaubwürdig für mich, aber das Geld kam nach meiner Vorsprache beim Chef zügig an.

 

Allerdings war es mir ein Warnsignal, daß es bei Bluevex eventuell mit der Liquidität nicht zum Besten stehen könnte, und so begann ich, mir jetzt regelmäßig jeden Monat den Gewinn auszuzahlen und nur ein kleines Guthaben von wenigen hundert Euro auf dem Wettkonto zu belassen, eine Vorgehensweise, die sich am Ende auszahlte. Als Bluevex rund ein halbes Jahr später überraschend Konkurs anmeldete, musste ich lediglich rund 700 Euro ans Bein binden, während knapp 6000 Euro ans rettende Ufer gebracht werden konnten.

 

Andere Mitspieler, die gar nicht oder zu spät von den Zahlungsschwierigkeiten von Bluevex etwas mitbekamen, hat es wesentlich härter erwischt. Wie man in Foren nachlesen konnte, ging es da auch um fünfstellige Summen. Und auch wenn dies nicht alles bar eingezahltes Geld war, sondern "nur" Handelsgewinne - es ist schon bitter, um den Lohn seiner ein- bis zweijährigen Arbeit gebracht zu werden.

 

Jahre später habe ich um mehrere Ecken von einem ehemaligen Arbeitskollegen von mir erfahren, der wiederum einen ehemaligen Arbeitskollegen von mir kannte, der bei Bluevex eine Zeit lang beschäftigt war, daß die Geschäftsführer von Bluevex den Erfolg ihrer Plattform wohl erheblich überschätzt hatten und zu viel Geld in Werbung und Marketing auf der einen Seite und zu hohe eigene Gehälter auf der anderen Seite gesteckt hatten. Genaue Zahlen konnte ich nicht erhalten. Aber vorstellen konnte ich mir das ganz gut. Und so nahm die Bluevex-Party nach zwei Jahren im August 2006 ihr unrühmliches Ende.

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