
Eigentlich muss ein vollendeter Day-Trader stets bemüht sein, in gleichmütiger Gelassenheit möglichst wertfrei die Charts und die Nachrichten zu studieren, um in einem Zustand hoher geistiger Objektivität Entscheidungen zu fällen: kaufen, verkaufen, verlieren, gewinnen.
Soweit die Theorie...
Die Realität sieht beileibe anders aus: Da wird geflucht und gewettert, beschimpft und manch Kugelschreiber erlebt sein unfreiwilliges Ende an einer ordnungsgemäß tapezierten Zimmerwand. In schwereren Fällen wird auch gerne mal die Computer-Maus geopfert. Gerüchteweise sind auch schon ganze Computersysteme Opfer verzweifelter Trader geworden. Das passiert immer dann, wenn sich die Emotionen aufstauen, weil wieder längere Zeit etwas nicht so lief, wie es laufen sollte.
Die Zeit bringt Gelassenheit
Gut, mit den Jahren ist man natürlich etwas gelassener geworden, keine Frage. Wobei ich im Nachhinein etwas die Zeit vermisse, wo Fluchen und Zetern zum Traden noch dazugehörte. Es war irgendwie aufregender. Doch irgendwann hat man einen Zustand erreicht, in dem die Trades wie ein Kommen und Gehen sind. Manche Trades kommen als Verluste auf das Konto zurück und andere gehen auf. Und tatsächlich, umso gelassener man mit dem Markt umgeht, desto besser läuft es.
Doch auch den langjährigen Tradern platzt zwischenzeitlich mal der Kragen. Wie ich darauf komme? Bei mir war es heute so.
Es war natürlich der Vollmond, ganz klar
Ich bin mir, da ich natürlich eine Ausrede brauche, sicher: Der Vollmond (gestern) war schuld. Schließlich fing dieser Tag schon schräg an. Mein lieber Kollege Michael Jansen meinte heute in der Früh als wir die Märkte durchgesprochen haben: „Mir gefällt Deine Stimmung heute nicht!“. Eigentlich hätte mir das Warnung genug sein müssen. Denn es gibt es die alte Regel: Trade niemals (!), wenn du emotional bist.
Leider beachten die wenigsten Menschen, die an der Börse agieren, diese Regel. Dabei ist das tatsächlich einer der elementarsten Grundsätze des Tradens:
Wer akut emotionalen Stress hat, sei es mit dem Partner, der Familie, Freunden, dem Wetter oder dem System als solchen, sollte die Finger vom Day-Traden lassen. Mit so einer Stimmung zu traden führt selten zu etwas Gutem, das ist ein Erfahrungswert.
Aber auch wer niedergeschlagen, gereizt, zu müde, verkatert, oder sonstwie körperlich angeschlagen ist, sollte das Traden meiden.
Sie glauben nicht, wie viele gute Trader es immer wieder schaffen, ihre Gewinne genau an solchen Tagen dem Ärger zu opfern. Bei mir war es heute nicht so schlimm, ich habe mich nur über einen Trade geärgert und dann sehr schnell gemerkt: Gut, das war es jetzt für heute – Schluss aus. Egal was der Markt auch macht, du lässt die Finger vom Depot. Ich wette, wenn ich heute weitergetradet hätte, es wäre zu einer Katastrophe gekommen.
Die „Mach mal Pause“-Strategie
Und wenn wir schon einmal beim Thema sind: Es gibt eine weitere Regel, die direkt mit der oben genannten zusammen hängt. Jeder Trader kennt das: Es gibt Phasen, da läuft nichts rund. Alles, was man anfasst, geht schief und das über Wochen. Die gewünschten Gewinne bleiben aus, und schon schleicht sich der Ärger aber auch die Anspannung ein: „Es muss doch klappen!“
Wenn solche Phasen einen kritischen Punkt erreichen, entsteht ein Teufelskreis. Wenn man angespannt ist, verliert man die Fähigkeit, gelassen den Markt einzuschätzen. Das gleiche gilt, wenn man wütend wird.
Trotz-Trades
Teilweise kommt es in solchen Phasen sogar zu „Trotz-Trades“. Das sind Trades, die man nicht aufgrund einer ruhigen Überlegung, klaren Einstiegssignalen oder Ähnlichem macht, sondern die man im Prinzip mit einer mentalen Einstellung tätigt, die vielleicht am besten mit folgenden Sätzen zu umschreiben ist: „Dir zeig ich’s jetzt. Du wirst schon sehen, was du davon hast! Dich trade ich in Grund und Boden!“ Das Problem ist, den Angesprochenen, also den Markt, interessieren die Emotionen eines Traders überhaupt nicht, er kassiert nur das Geld und zahlt es dem aus, der besser agiert.
Der sichere Trade
Egal, was auch die Fehltrades verursacht, irgendwann hat man in einer solchen Phase (wenn man sie nicht rechtzeitig erkennt) einen größeren Verlust erwirtschaftet. Jetzt kommt der normale Trader auf die Idee, diesen Verlust „zurückertraden“ zu wollen. Doch die Verluste machen ihn vorsichtig, sehr vorsichtig. Er wird sich auf die Suche nach dem sicheren Trade machen....
Jeder, der ein wenig Erfahrung mit Traden hat, weiß, was dann passiert. Es gibt ihn einfach nicht, den sicheren Trade, denn das wäre ein Trade, den auch alle anderen sehen würden. Sprich, der „sichere Trade“ in so einer Situation ist zu einem großen Prozentsatz der sichere Trade in einen Verlust.
Die Daumenschrauben drehen sich zu
Dreht man diese Spirale weiter, wird der erfolglose Trader immer mehr verspannen, verzweifeln, den Mut verlieren, sich unfähig fühlen. Der Trader wird somit mental immer kraftloser und zögerlicher. Man muss nicht sonderlich viel Erfahrung haben, um zu wissen, dass man mit so einer mentalen Einstellung keinen Blumentopf gewinnen kann, ob beim Traden, beim Sport oder sonstwo.
Wenn man hier nicht erkennt, dass man aufhören muss, dass man eine Pause einlegen muss, ist das finanzielle Desaster vorprogrammiert...
Reif für die Insel
Schon wesentlich früher, sollte man solche Zustände erkennen und dann Pause machen. In Urlaub fahren, einen Tapetenwechsel, einen oder mehrere Wellness-Tage einlegen, was weiß ich. Auf jeden Fall sollte man dem Traden entsagen, so lange die mentale Einstellung negativ ist. Erst wenn man wieder genug Kraft hat, mehrere Verlustrades zu überstehen ohne erneut in den Teufelskreis zu geraten, sollte man wieder anfangen.
Bei einigen Tradern, die sich über einen längeren Zeitraum komplett demoralisiert haben, empfehle ich sogar, mehrere Monate Pause einzulegen.
Marktphasen
Hin und wieder hängen solche Verlustphasen aber auch direkt mit dem Markt zusammen. Das ist gerade in den letzten Monaten natürlich möglich. Aber auch hier gilt, sobald Sie merken, dass nichts mehr klappt, Sie das Gefühl haben, alles ist wie verhext oder es läuft extrem gegen Sie, mein Tipp:
Machen Sie mal ein oder zwei Tage Pause! Geld verdienen lässt sich an den Börsen zwar immer, aber manchmal ist es schwerer als sonst...
Wer bis zu Ende gelesen hat und wem das Gelesene gefallen hat, der kann und sollte mehr davon bekommen.
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