CHAPTER11 Posted August 2, 2006 Report Share Posted August 2, 2006 Die Einführung einer Spekulationssteuer zum 1. Januar 2008 droht größere Umwälzungen im Markt für Zertifikate nach sich zu ziehen. Steuerexperten rechnen mit einer Verkaufswelle bei Produkten, deren Attraktivität vor allem auf der Steuerfreiheit von Spekulationsgewinnen beruht. Auch die Banken, die solche Produkte auflegen, erwarten Umschichtungen, sollten sämtliche Spekulationsgewinne ab 2008 zu versteuern sein. Die Tatsache, dass Spekulationsgewinne in Deutschland derzeit steuerfrei sind, solange der Investor die Wertpapiere länger als ein Jahr hält, gilt als ein Grund für den Boom von Discount-, Bonus- oder Indexzertifikaten. Diese Produkte haben daher in Deutschland nach dem Platzen der Aktienmarktblase so viel Zuspruch gefunden wie in keinem anderen Land. Nach gestern veröffentlichten Zahlen der Emittentenvereinigung Derivate Forum stieg das in Deutschland in Zertifikate investierte Vermögen seit Jahresanfang um knapp 15 Prozent auf 97 Mrd. Euro. Mehr als die Hälfte dieses Vermögens ist in Zertifikategattungen investiert, die Anleger unter steuerlichen Gesichtspunkten besser stellen als mit einer Direktanlage in Aktien oder Fonds. Die bei einem Direktengagement steuerpflichtigen Zins- und Dividendeneinnahmen fallen bei vielen Zertifikaten nicht an. Sie sind so konstruiert, dass beispielsweise Dividendenerträge als Kursgewinne zählen, die nach einem Jahr steuerfrei sind. Das dicke Bonbon der Steuerfreiheit fällt nun weg. "Die deutsche Besteuerung war bisher ein großer Anreiz, um Zertifikate zu zeichnen. Wenn sämtliche Spekulationsgewinne künftig besteuert werden, dann droht eine Verkaufswelle", sagt Steuerexperte Hubert Schmid von der Anwaltssozietät Clifford Chance. Auch Steuerfachmann Ulf Johannemann von Freshfields Bruckhaus Deringer hält die Steuerfreiheit für einen wesentlichen Kaufanreiz. Wie Anleger auf eine Spekulationssteuer reagieren werden, hänge jedoch von den Details der neuen Besteuerung ab. Die stehen bis jetzt noch nicht fest. Aber sollten Spekulationsgewinne ab dem Stichtag 1. Januar 2008 zu versteuern sein, gleich ob sie aus Altanlagen stammen oder aus neu gekauften Produkten, "dann müssen die Anleger aussteigen, sonst würden sie einen Teil ihrer Spekulationsgewinne verschenken", sagt Schmid. Damit könnten gigantische Volumen in Bewegung geraten. "Wenn so ein Stichtag kommt, dann wird die Rückabwicklung eine besondere Aufgabe für die Banken", sagt Schmid. Die Rückabwicklung dürfte schon allein deswegen komplex werden, weil die Produkte selbst komplex sind, glaubt er. Ein Produkt etwa, das den Gewinn des Anlegers von der Kursentwicklung der fünf stärksten Dividendentitel eines Aktienindexes abhängig mache, sichere die Bank mit einer ganzen Reihe von Derivaten ab. Zertifikate mit langen Laufzeiten oder gar Endloslaufzeiten könnten Anleger dann nur mit Abschlägen loswerden, befürchtet Schmid. Die Emittenten geben sich bis jetzt gelassen. "Der Derivatemarkt lebt schon lange nicht mehr von der Steuerfreiheit der Produkte", sagt Grégoire Toublanc von BNP Paribas. Sie seien auch auf Grund ihrer übrigen Eigenschaften attraktiv. Die Deutsche Bank will erst mit neuen Produkten reagieren, wenn das Gesetz sicher kommt und die Ausgestaltung feststeht. Klaus Oppermann, bei der Commerzbank zuständig für Zertifikate, hat bis jetzt noch keine Auswirkungen der Steuerpläne auf den Absatz bemerkt. "Der Zeitpunkt ist noch weit weg", sagt er. Aber er stellt auch fest: "Laufzeiten bis 2008 oder später werden von den Kunden vorsichtig hinterfragt." Bedeckt hält man sich offenbar auch, weil die Garantieprodukte, die 44 Prozent des Marktes ausmachen, durch die neuen Steuerregeln teilweise im Vorteil sind. "Da könnte es dann zu Verschiebungen hin zu diesen Produkten kommen", sagt Toublanc. Sicher ist: Die Banken haben den Stichtag längst im Blick. 484 Zertifikate haben sie in der ersten Woche nach dem Kabinettsbeschluss zur Abgeltungsteuer neu emittiert. Davon endet mehr als die Hälfte im vierten Quartal 2007. Index-, Basket- und Strategiezertifikate: Kommt es zu einer pauschalen Abgeltungsteuer, wäre diese Zertifikategattung der größte Verlierer. Bislang sind mögliche Gewinne nach Ablauf der Spekulationsfrist von zwölf Monaten steuerfrei. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob das Zertifikat aufgrund von Zins-, Dividenden- oder Kursgewinnen gestiegen ist. Bonus-, Teilschutz- u. Discountzertifikate: Außerhalb der Spekulationsfrist sind Gewinne derzeit steuerfrei. Die ansonsten steuerpflichtigen Dividenden der jeweiligen Basiswerte fließen in die Konstruktionen mit ein. Dieser steuerliche Anreiz fiele mit einer Abgeltungsteuer weg.Garantiezertifikate: Als Finanzinnovationen sind Zins- und Kursgewinne aus kapitalgarantierten Zertifikaten derzeit steuerpflichtig - und das unabhängig von der Haltedauer. Garantiezertifikate wären mit einer Abgeltungsteuer nicht länger steuerlich benachteiligt gegenüber anderen Anlageformen. Das könnte deren ohnehin große Popularität unter Anlegern zusätzlich beflügeln. Optionsscheine und Hebelzertifikate: Nach Ablauf der Spekulationsfrist sind Gewinne derzeit steuerfrei. Behalten Depotbanken allerdings automatisch die Abgeltungsteuer auf Gewinne bei einer Veräußerung ein, droht ein massiver Umsatzeinbruch. Mögliche Verluste könnten umgekehrt erst mit der Steuererklärung gegengerechnet werden. Im ersten Halbjahr setzten Emittenten mit Hebelprodukten in Deutschland 124 Mrd. Euro um. Express-/All-Time-High-Zertifikate: Bislang eine Grauzone, doch nach gängiger Interpretation sind Gewinne außerhalb der Spekulationsfrist steuerfrei, da keine Kapitalgarantie besteht. Der oft enthaltene Garantiemechanismus wird erst bei bestimmten Kursszenarien während der Laufzeit aktiviert. Aktienanleihen: Zinserträge und Kursgewinne sind schon heute unabhängig von der Haltedauer zu versteuern. Dieser steuerliche Malus fiele mit einer Abgeltungsteuer weg. Quelle: ftd.de Link to comment Share on other sites More sharing options...
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