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Tom Next - Daytrading Community

BetandWin: Aktie als Wetteinsatz


CHAPTER11

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Früher oder später musste es wohl so kommen. Mit einem schier unfassbaren Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) jenseits der 200 wechselte der österreichische Sportwettenanbieter in seinen besten Tagen den Besitzer. Im Mai, als BetandWin bei 104 Euro sein bisheriges – und wie es derzeit aussieht: wohl auch für längere Zeit bestehendes – Allzeithoch markierte, bewilligten Börsianer dem ATX-Mitglied noch immer ein KGV jenseits der 100. Vermeintlich notorisch überbewertete Highflyer wie Google oder Solarworld nehmen sich da derzeit mit KGV unter 40 wie Waisenknaben aus.

 

Jahreslang schien der Ritt auf der Kanonenkugel, wie Momentumanleger das Investment in Highflyer so gerne nennen, gutzugehen. Vom Allzeittief im Frühjahr 2003 bei 1,30 Euro hätten Anleger in drei Jahren bis Mai dieses Jahres die schier unglaubliche Wertsteigerung von über 7000 Prozent erzielen können. Doch dafür hätten Aktionäre auch verkaufen müssen, und das ist bekanntlich der schwerste Teil des Börsengeschäfts. Heute jedoch ist vieles anders: BetandWin firmiert seit dem ersten August unter der Kurzfassung bwin, und auch die Aktie würde erstaunlich gestutzt: Das Papier behauptet nur noch mühsam die 30 Euro-Marke: Ein Absturz von 75 Prozent in drei Monaten. Kein Highflyer des rauschenden Bullenmarktes der vergangenen drei Jahre hat es seit der Mai-Korrektur dieses Jahres härter zerlegt.

 

>> "Aus Buchmachersicht unvorteilhafte Favoritensiege in der Vorrunde"

 

Doch woher kommt der Absturz eigentlich? Da ist zum einen eine geharnischte Gewinnwarnung, mit der im WM-Quartal so ziemlich niemand gerechnet hatte. Statt eines Gewinns wie noch im ersten Quartal dieses Jahres und im Vorjahreszeitraum schockierte Betandwin die Anleger mit der Adhoc-Mitteilung, nach der nun ein "signifikant negatives EBITDA" zu erwarten sei.

 

Als Erklärung für die enorme Verfehlung schob der Sportwettenanbieter eine verblüffende Erklärung nach, die die Vorhersehbarkeit des Geschäftsmodells nachhaltig in Frage stellt: "Auf Grund der zahlreichen aus Buchmachersicht unvorteilhaften Favoritensiege in der Vorrunde ist während der Fußball-WM lediglich eine Bruttorohertragsmarge aus Sportwetten in der Höhe von 6,7 Prozent erzielt worden."

 

>> BetandWins WM-Quartal: "The nightmare came true"

 

Was das in Zahlen bedeutet, rechnete Analyst Alfred Reisenberger von österreichischen Investmentbank CA IB nach und kam in einer Modelrechnung auf den EBITDA-Verlust von 43,6 Mio. Euro im zweiten Quartal. "The nightmare came true", betitelte der Analyst dann auch melodramatisch seine Studie und nannte die veröffentlichten Statements zum zweiten Quartal als "extrem enttäuschend".

 

Die Analysten der Raiffeisen Centrobank (RCB) handelten unterdessen und stuften das Kursziel der Aktie - in einem für die Investmentbranche bemerkenswert deutlichen Schritt - von "Hold" auf "Sell" herunter, nachdem sie die Gewinnerwartungen für das Gesamtjahr von 1,09 Euro je Aktie auf Minus 0,23 Euro je Anteilsschein revidiert hatten. Das Kursziel wurde von 68 auf 31 Euro zurückgenommen. Exakt da notierte die Aktie gestern.

 

>> "In Bayern werden wir geradezu diffamiert"

 

Doch damit ist die ganze Leidensgeschichte des führenden Internetanbieters von Sportwetten längst noch nicht erzählt. Auch die Festnahme des Geschäftsführers der US-Wettgesellschaft BETonSports färbte phasenweise negativ auf das Papier ab. Viel größere Kreise zog jedoch der Sponsoring-Eklat zweier Fußballbundesligisten, der verdeulicht, in welcher rechtlichen Grauzone sich das Unternehmen in der Bundesrepublik noch bewegt.

 

So wurde dem Zweitligisten 1860 München per Unterlassungsverfügung auf Weisung der Bezirksregierung von Oberbayern verboten, in den Trikots des neuen Sponsors bwin.de aufzulaufen. Die bayerischen Behörden halten – im Gegensatz zum überwiegenden Rest der Republik – die Werbung für private Sportwetten in der Bundesrepublik nämlich für nicht für zulässig. Bwin-Geschäftsführer Marcus Meyer reagierte empört: "In Bayern werden wir geradezu diffamiert. Es wird verlautbart, wir wären illegal und Verbrecher. Betandwin ist seit 15 Jahren ein lizenziertes Unternehmen."

 

Und das auch in Deutschland: In den Wirren der Wendezeit erwarb BetandWin u.a. neben Sportwetten Gera

 

Anbietern in der Bundesrepublik als "illegales Glücksspiel" ausgelegt. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März dürfte demnach nur der Staatsmonopolist Oddset Sportwetten unter der Auflage anbieten, die "Spielsucht einzudämmen". Doch der Rechtmäßigkeit der Konzessionen der privaten Anbieter aus DDR-Zeiten muss das keinesfalls einen Abbruch tun. "Diese wurde sowohl vom Bundesverfassungsgericht als auch vom Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Frage gestellt", erklärte etwa Glückspielrechts-Experte Marcel Kaufmann der "Welt". nämlich sehr vorausschauend sogenannte "DDR-Lizenzen". Doch bekanntlich werden Sportwetten von privaten Anbietern in der Bundesrepublik als "illegales Glücksspiel" ausgelegt. Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März dürfte demnach nur der Staatsmonopolist Oddset Sportwetten unter der Auflage anbieten, die "Spielsucht einzudämmen". Doch der Rechtmäßigkeit der Konzessionen der privaten Anbieter aus DDR-Zeiten muss das keinesfalls einen Abbruch tun. "Diese wurde sowohl vom Bundesverfassungsgericht als auch vom Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Frage gestellt", erklärte etwa Glückspielrechts-Experte Marcel Kaufmann der "Welt".

 

>> Schadenersatzansprüche in einer Größenordnung "von einer halben Milliarde Euro"

 

Die Rechts- und damit auch die Geschäftsgrundlage von BetandWin in Deutschland bleibt damit wenige Tage vor dem Start der Bundesligasaison so offen wie die Frage, ob Vizemeister Werder Bremen zum Auftakt in einer Woche in Hannover mit Bwin als Trikotsponsor auf der Brust auflaufen kann. Sollte privaten Sportwettanbietern tatsächlich die Rechtmäßigkeit ihrer Lizenz abgesprochen werden, droht BetandWin-Vorstand Norbert Teufelberger schon mal mit massiven Schadenersatzansprüchen.

 

"Allein im Zusammenhang mit der Betandwin e. K. ist von einer Größenordnung von einer halben Milliarde Euro auszugehen", erklärte er "Focus Money". Das entspräche gegenwärtig rund der Hälfte der Marktkapitalisierung. "Hinzu kämen Schadensersatzansprüche von Werbepartnern auf Grund ausgefallener Werbeeinnahmen".

 

Für Anleger ist die BetandWin-Aktie damit selbst zur reinsten Wette geworden. Doch im Gegensatz zur festgelegten Sportwette scheinen die Gegner kaum überschaubar: Mal ist es die Justiz, mal sind die Sportereignisse selbst, mal ist es die Konjunktur – am Ende sind es vielleicht alle Faktoren zusammen. Ein gutes Chance-Risiko-Verhältnis sieht anders aus.

 

Quelle: yeald.de [+]

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