Binary-Party Teil 2 – Tradesports
August 2006. Bluevex war tot. Einige, insbesondere diejenigen, die durch die Pleite viel Geld verloren hatten, versuchten noch, im anschließenden Insolvenzverfahren etwas wiederzubekommen. Es soll sogar Strafanzeigen gegen die ehemaligen Bluevex-Geschäftsführer Öztürk und Hampp gegeben haben. Keine Ahnung, was dabei herauskam. Nur Geld war nicht mehr zu holen, das war mir klar, und deswegen kümmerte ich mich auch nicht mehr weiter darum.
Nun also zogen wir mit Gesang in das nächste Restorang. Der Gesang fiel zwar bescheiden aus, aber weitergezogen sind wir trotzdem, und zwar zu Tradesports. Das war ein in Irland ansässiger Plattformbetreiber für binäre Optionen ähnlich Bluevex, nur war sein Angebot stark auf den US-amerikanischen Markt zugeschnitten, was schon allein daran zu erkennen war, daß die Wettkonten in US-Dollar geführt wurden. Vermutlich waren die Wettbetreiber selber Amerikaner.
Wie auch immer, man konnte dort neben Sportwetten auch Wetten auf Dow und DAX handeln. Im Gegensatz zu Bluevex wurden diese allerdings nicht als Rangebets, sondern als Strikebets angeboten, vergleichbar den Leiterwetten bei IG Markets heute. Eine Reihe ehemaliger Bluevex-Zocker hatte sich nun bei Tradesports versammelt, und ganz nach dem Motto: "Wir wollen unser altes Bluevex wiederhaben", versuchten einige, die Betreiber von Tradesports dazu zu bewegen, für den DAX auch Rangebets anzubieten, was jedoch nicht gelang.
Das Problem bestand nun darin, daß bei Tradesports viel weniger Zocker unterwegs waren als bei Bluevex und ein vernünftiger Handel eigentlich nur mit Hilfe eines Market Makers möglich war. Den gab es zwar auch, jedoch machte der im August 2006 gerade Urlaub und kam erst im Oktober zurück, als viele Zocker schon frustriert wieder abgezogen waren.
Doch jetzt konnte es losgehen, und ich murkste mit meinen ein paar Monate zuvor eingezahlten 250 Dollar auch etwas herum, kam aber nicht wirklich vom Fleck. Bis Mitte November konnte ich mein Konto etwa verdoppeln, fiel bis Mitte Dezember aber wieder auf den Ausgangspunkt zurück. Und dann kam Weihnachten….
Es hatte sich inzwischen auch noch ein weiterer Market Maker gefunden, der jedoch so breite Spreads hatte, daß man zu seinen Quotes praktisch nie ein Geschäft abschließen konnte. Das änderte sich am 15. Dezember 2008. Es hing möglicherweise mit dem Verfallstermin des DAX-Future-Kontraktes zusammen. Jedenfalls hatte dieser zweite Market Maker sich unmittelbar nach dem Verfall um 13:00 Uhr beim Stellen seiner Quotes tüchtig verpreist - zu seinen Ungunsten. Die Handvoll Zocker, die das mitbekamen, nutzten diese Gelegenheit natürlich gnadenlos aus, zumal es so war, daß es keine offizielle Misstrade Rule gab, d.h. jeder war für seine Limitorders selber verantwortlich einschließlich der Fehler, die er bei Orderaufgabe machte. Und so konnte sich mein bescheidenes 240-Dollar-Konto über ein kleines Weihnachtsgeschenk in Höhe von rund 2.500 Dollar freuen.
Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich dann noch einmal drei Wochen später und verpasste meinem Konto einen abermaligen Push von 2.000 Dollar. Doch das restliche Geld verdiente ich mit ganz solidem Trading. Letzteres ging dann leider nur noch bis Ende Februar 2007. Mein Konto hatte gerade die 10.000-Dollar-Marke überschritten, als der wichtigste Market Maker im DAX keinen Bock mehr hatte und aufhörte. Ich musste dann nolens volens auf den Dow ausweichen, was mir aber nicht so lag. Ich konnte das Konto noch auf etwas über 11.000 Dollar steigern, doch als es Anfang April wieder in Richtung 10.000 ging, machte auch ich Feierabend und zog mein Geld von Tradesports ab. Eine kurze Party.
Nachtrag:
Etwa eineinhalb Jahre später sollte mich Tradesports noch einmal wiedersehen. Sie hatten inzwischen das gesamte Sportwettenprogramm gestrichen und die übriggebliebenen Wetten auf einer Plattform mit dem neuen Namen "Intrade" konzentriert. Dow oder DAX wollte ich jedoch nicht mehr handeln, den letzteren gab es auch gar nicht mehr, sondern Politik. Es standen mal wieder US-Präsidentschaftswahlen an, und ich hatte da ja noch eine Rechnung zu begleichen. Ich wollte auf Sieg Obama setzen, und bei Tradesports alias Intrade ging bei den Präsidentenwetten ordentlich was ab. Obama long kostete allerdings schon um die 65 (beim Sieg würde es 100 geben), das war mir zu teuer. Aber ich dachte mir, daß die Umfragewerte für den republikanischen Kandidaten McCain noch mal besser werden würden, sobald der Republikaner-Parteitag zu Ende sein würde und die öffentliche Stimmung erstmal pro Reps angeheizt werden würde.
So kam es dann auch. Nach dem Parteitag der Republikaner stiegen die McCain-Wetten von abgeschlagenen 35 auf über 50, Obama sackte im Gegenzug von 65 auf unter 50 ab. Das war für mich der Moment zum Einstieg. Etwa 7.500 Dollar ließ ich mir den Spaß kosten, zu etwa gleichen Teilen verteilt auf Obama long und McCain short. Am 4. November gab es dann doppelt was zu feiern. Und damit war ich quitt für mein Kerry/Bush-Debakel vier Jahre zuvor.
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